Gibt es einen schöneren Ort, als den Hasenberg, um Meister zu werden? Vermutlich nicht. Wenig Hallen im Verband Lau/Sto bieten eine so beengte und zeitgleich entfesselnde Atmosphäre wie die Heimspielstätte des Tabellendritten Lauenburg. Doch spulen wir erst einmal zurück. Da die Berichterstattung der Herren hier erneut größere Lücken aufweist als unsere Abwehr beim Auftritt in Hahnheide, müssen wir zunächst einmal aufräumen und aufarbeiten, wie es zu diesem phänomenalen Höhepunkt von Ingo und Christians Abschiedssaison kommen konnte. Also der Reihe nach:
Mit dem Unentschieden gegen Lauenburg starteten wir holprig ins neue Jahr und brauchten etwas Anlauf, bevor wir uns über den Sieg in Geesthacht auf den Kreisligakracher gegen Hahnheide vorbereiteten. Wiedergutmachung für das verlorene Hinspiel stand an, um uns den Platz an der Tabellenspitze zu sichern. Ein wegweisendes Spiel lag vor uns, die Trainingseinheiten wurden intensiv für allerlei spielerische Finessen genutzt und latenter Druck baute sich auf.
Die DBS Halle war für dieses Spitzenspiel genau die richtige Austragungsstätte, in der wir unsere Gäste mit einer vollen Bank empfingen. Atmosphäre füllte den Raum, ein aufgeregter Start auf beiden Seiten und eine dem Spitzenspiel Rechnung tragende Körperlichkeit ließen sich auf dem Platz beobachten. Addy feierte sein Comeback und verzichtete bereits im Vorfeld auf den vom Arzt empfohlenen Vollvisierhelm, um im Rückraum auf das volle Sichtfeld zurückgreifen zu können. Rückblickend ließ sich beim besten Willen nicht erahnen, dass wir einen granatenmäßig schlechten Tag erwischten und unsere Abwehr die Gäste im Minutentakt einlud, Jörg das Spielgerät um die Ohren zu feuern. Viele einfache Gegentore und wenig Lösungen im Angriff ließen das Spiel früh zugunsten der Hahnheider kippen und uns auch nicht mehr aufholen. 29:35 stand es schlussendlich an der Backsteinwand – völlig verdient und der Dramaturgie des Saisonverlaufs ungewollt entgegenkommend.
So ging es nur 7 Tage später mit den zweiten wohlverdienten Minuspunkten im Gepäck nach Glinde und plötzlich wackelte der Traum vom Titel wieder. Keiner wusste so genau, wie schnell man die Unsicherheiten abstellen und zurück in den Flow kommen konnte, der uns bis dahin den Vorsprung auf der Tabellenspitze bescherte. Riepe, der sich frisch erholt aus dem Urlaub direkt in der Start-7 wiederfand, ließ während des Aufwärmprogramms keine Chance aus, in Frage zu stellen, ob denn die Luft bis zum Schluss reichen würde. „Zu viel Fitness“, „kranker Bizeps“ und Ähnliches waren von der linken Außenbahn zu vernehmen. Entsprechend schockiert zeigte er sich, als dem Aushängeschild des institutionalisierten Presse-Amtes in der 3. Spielminute zwei Außenbänder um die Ohren flogen. Ein kleiner Gruß aus der Küche möchte man meinen, mit dem der frisch gealterte Körper brachial die biologischen Grenzen im professionellen Breitensport jenseits der 30 aufzeigte.
Um einen Spielerwechsel reicher schaffte es der Abend dennoch, ein erfolgreicher zu werden, denn nach anfänglicher Aufregung fanden wir sehr schnell über eine solide Abwehrarbeit Zugang in die Reinbeker Köpfe und vorne über einfache Wege ins Tor. Riepe zeigte sich nach dem ungewollten Positionsgewinn auf Rückraum Links zusammen mit seinem gewaltbereiten Counterpart auf der rechten Seite Bumm Bumm mehr als treffsicher und steuerte die meisten Tore des Spiels bei. Ein am Ende sicheres 37:22 brachte uns nun in die Position, im vorletzten Spiel der Saison in und gegen Lauenburg die Meisterschaft und damit ein perfektes Karriereende unseres Trainerduos klarzumachen.
Und da sind wir also, mit einem Aufgebot von ganzen 9 Spielern und 3 Betreuern, in den schier grenzenlosen Spielanlagen des Lauenburger SV. 13 optimistische Gastgeber empfingen uns und bereits beim Aufwärmen wurde klar, dass hier nicht mal ein halber Punkt verschenkt und bis zum letzten Meter an der Meisterschaftschance festgehalten werden würde. Einen großen Matchplan gab es bei der Personaldecke und der erneut sinkenden Rumpfkaderkonstanten nicht, also alles rein, was geht und dann schauen, was passiert. Ganz ohne taktische Tricks lassen sich unsere Partien mit Cheftrainer Inge natürlich nicht starten, denn fast 2 Jahrzehnte TSV-Erfahrung treiben diesen Mann immer wieder zu didaktischen Geniestreichen in der Motivations- und Spielwissenschaft. „Wenn wir mit weniger als einem Tor verlieren, sind wir Meister.“ Rückwärts durch die Brust ins Knie, aber Worte die wirkten und nach anfänglichen Fragezeichen nochmal verdeutlichten, dass am Hasenberg die Meisterschaft entschieden wird. Zweifellos sicherten sie Inge einen weiteren hochkarätigen Platz in den ewigen Annalen der Trainerzitate.
Mit einem hervorragenden Start und etwas glücklicheren Händchen im Abschluss zwangen wir die Gastgeber beim Stand von 10:5 direkt zur ersten Auszeit. Aber auch das brachte uns bis zur Halbzeit nicht aus dem Tritt. Das Spiel gehörte uns und mit vielversprechenden 16:11 gingen wir in die Halbzeit. Das hätte die halbe Miete sein können, wenn die begrenzten Wechselmöglichkeiten an diesem Spieltag nicht das Quäntchen Glück für die Lauenburgern bedeuteten, um die für die Titelchance notwendige Aufholjagd zu starten.
Bis zur 45. Minute retteten wir unseren Vorsprung von 4 Toren über die Zeit, ehe die Lauenburger ihre Kaderbreite ausspielten und uns Tor für Tor näher kamen. Es wurde ungemütlich auf dem Platz – die Lauenburger mit dem Momentum auf ihrer Seite und wir, die entgegen hielten, was die müden Körper noch hervorbrachten. So gaben die letzten Spielminuten nochmal alles her, was man sich in der Weltmeisterschaft der Kreisliga so erhofft – Chaos, Ballverluste, gelbe Karten für Torhüter, Zeitstrafen, Streit, eine Menge Tore und – den Ausgleich zum 27:27 nur 40 Sekunden vor Schluss. Spannender hätte man sich den Spielverlauf nicht vorstellen können – diese Momente entscheiden Spiele und in unserem Fall nicht nur Meisterschaften, sondern eben auch Karrierehöhepunkte und -enden.
So konnte es kein anderer sein als Christian, der sich das Spielgerät schnappte und zielstrebig in Richtung rechter Außenlinie zog. Richtung rechter Außenlinie?
Auf der Bank machte sich Panik breit. Flashbacks aus dem Lauenburg Hinspiel flimmerten vor dem geistigen Auge, Ingo schlug die Hände über den Kopf zusammen und die Redaktion legte sich bereits Zeilen zurecht, um den Spielausgang zu rechtfertigen. Von halb rechts aufs Tor zu ziehen, um das Spiel zu entscheiden, ist aus hautnaher Erfahrung gegen Lauenburg eine durchaus spektakuläre Idee. Aber hier trennte sich die Spreu vom Weizen, denn wer auf den letzten Metern der Saison die Rechnung ohne unseren dienstältesten Spielertrainer machte, der wurde eines besseren belehrt.
Statt den Ball an den kurzen Pfosten zu legen (warum auch immer man das tun sollte) und dem Torwart Richtung Außenlinie zu folgen, zappelte der Ball 20 Sekunden vor Schluss in der langen Ecke des Lauenburger Tores.
Die Bank stand, die (5 mitgereisten) Fans jubelten, Ingo schwitzte durch die Augen und die Abwehr hielt auch die letzten Sekunden des Spiels. Was für ein Ende. Wir belohnen uns selbst nach dem Abstieg mit der direkten Meisterschaft und unser Trainerteam mit einem emotionalen Höhepunkt zum Start in den wohlverdienten Handballruhestand.
Zum Abschied der Beiden stand nun das letzte Saisonspiel vor heimischer Kulisse an, bei dem wir erneut die Glinde/Reinbeker im DBS-Wohnzimmer empfangen durften. Geplagt von Personalengpässen waren die Gäste drauf und dran, das Spiel im Vorfeld abzusagen, ließen es sich aber nicht nehmen, für Ingo und Christians Abschied alle spielfähigen Vereinsmitglieder zusammen zu trommeln, um gegen uns anzutreten und den beiden einen gebührenden Abschied zu bereiten. Vielen Dank daher auch nochmal an dieser Stelle für das faire und freundschaftliche Spiel.
Über 70 Zuschauer, gespickt aus Spielern und Wegbegleitern der letzten Jahre, bereiteten eine eindrucksvolle und dem Abend angemessene Kulisse. Nach gemeinsam über 30 Jahren TSV Bargteheide geht für Ingo und Christian eine für die Beiden zwischenzeitlich sicher endlos wirkende, aber stets leidenschaftliche Reise zu Ende, bei der die Mannschaft mit Sicherheit große Teile der Freizeit eingenommen hat und andere Dinge hinter den Dienst der Mannschaft gestellt wurden. Dass sich dies zum überwiegenden Teil gelohnt hat, zeigte eine beeindruckende Bilanz:
3 Meisterschaften, 1 Aufstieg, 1 Klassenerhalt, bestimmt über 100 überreichte Sportabzeichen und dutzende trainierte Spieler sprechen für sich.
Damit schließen wir die Saison erfolgreich ab, sehen ein, dass wir dieses Jahr deutlich besser in der Kreisliga aufgehoben waren und freuen uns auf die weiteren jährlichen Programmpunkte im Kreise der Mannschaft.
Vielen Dank Ingo & Christian, für die vielen Jahre Handball, Zeit und Leidenschaft, die ihr vermittelt, gelehrt, bereitet und mit uns genossen habt! Und ab jetzt alles Gute im Handball Ruhestand!
Bis bald von den Bargteheider Herren